Entscheiden

Qualität / Quantität

Die geeignete Form für eine Entscheidung hängt davon ab: Geht es um qualitative Alternativen oder um Festlegung einer Quantität?

Zur Frage, wohin man jetzt essen gehen soll, passt kein quantitativer Kompromiss, das ist klar. Hier gibt es sinnvoll nur ein Entweder-Oder, hier braucht es (wenige) Vorschläge und dann eine klare Wahl. Sollen Gehälter bestimmt werden, steht das Verhältnis von Quantitäten zur Debatte, das fordert einen ganz anderen Entscheidungsvorgang:

Mittelwertverfahren / Konsensieren

Geht es um ein quantitatives mehr-oder-weniger, hat ein stufenlos einstellbarer Wert einen Sinn, dann ist das unten beschriebene Mittelwertverfahren sinnvoll. (Nicht jede Frage verträgt dergleichen als Antwort.)
Die Verteilung der Steuergelder könnte man so beauftragen, z.B.:

Warum sollte nicht eines Tages jeder Bürger zusammen mit der Steuererklärung eine prozentuale Wichtung aller Ressorts des Bundeshaushalts abgeben? Der veröffentlichte Mittelwert aller Wichtungen wäre ein direktes Stimmenbild. – Bei dessen Bildung jede Stimme gleiches Gewicht hat – besser kann keine Demokratie gelingen. In Folge könnten Haushaltsentscheidungen in diesem „Volkswillen“ ihren Grund finden, könnten abweichende Beschlüsse mit Bezug dazu sachlich begründet werden, ein Maß würde sichtbar für die Volksnähe von Regierungsentscheidungen und Regierungen selber.
Mit der Zeit könnte sogar eine relative Verbindlichkeit solchen Stimmschlüssels sinnvoll heranwachsen.
Eine Stimmgabel dem Stimmsalat!

Bei einer solchen Verteilfrage hat es wenig Sinn, bestimmte Vorschläge abzustimmen, könnte man doch unendlich viele Zwischenvorschläge generieren!
Immer aber, wenn es nicht um die (Fein-)einstellung von Quantitäten geht, sondern um Möglichkeiten unterschiedlicher Qualität, gibt es ein anderes Mittel der Wahl, sei hier hingewiesen auf die systemische Konsensierung, noch einmal anders auch hier.

11.10.2012

Eine Entscheidungshilfe

– zu einem Verfahren, bei dem ein Betrag festgelegt werden muss,
Ein Beispiel:

Da sind zehn gleichberechtigte Gesellschaftsmitglieder und eines will raus, wie viel soll es bekommen?
Mag das auch per Satzung festgelegt sein, so ist das doch selten selbstverständlich als gerecht empfunden von allen.
Nehmen wir an, da heißt es „Verkehrswert minus Schulden durch Anzahl der Gesellschafter“. Wer weiß, wie relativ eine Verkehrswertberechnung ist? Sehr! Und schon kann es losgehen mit einem Gegengutachten und dann Schiedsgutachten.
Das ist vielleicht noch relatiefer. Und teuer ist es auch.
Also lasse man ruhig alle zu Wort kommen, schließlich sollen auch alle mit dem Ergebnis zufrieden sein. Das Recht entsteht zwischen den Betroffenen, jedes Mal neu.
Aber nun, was tun? Da kann man verschiedenste Denkmodelle durchspielen, Vorschläge machen, endlos diskutieren. Wie findet man einen Konsens?
Häufig genug bei solchen Prozessen gewinnt die Meinung desjenigen Mitglieds, das zum richtigen Zeitpunkt, d.h. dann, wenn alle endlich müde sind, einen deshalb akzeptablen Vorschlag macht.
Hat es ein gutes Gespür für die Gesamtheit, gibt es möglicherweise ein gutes Ergebnis. Das kann aber auch schief gehen. Wer entwichtet gerecht der stimmgewaltigen Überzeuger und Überreder Meinung? Wer wichtet die stimmschwachen Schweiger auf, jene, die ihre Meinung den anderen vorenthalten?

Es ist ganz einfach, Demokratie ist nur im schlechtesten Fall die Meinung der Mehrheit, im besten hat jede Stimme gleiches Gewicht.
Also kann es kein gerechteres Ergebnis geben, als den Mittelwert der zehn für richtig befundenen Beträge.


Wer meint, dem sei nicht so, kann das doch nur stützen auf die eigene Überzeugungskraft oder die seiner Idee. In der Annahme, dass eine „bessere“ Idee sich durch Einsicht durchsetzen werde bei genügend Bedenkzeit und Diskussion.
Die soll beide genug es gegeben haben, Bedenkzeit und Diskussion.
Aber irgendwann ist das genug, muss eine Entscheidung her. Der Mittelwert!
Wer nennt seine Zahl zuerst? Das ist nicht einfach, denn niemand will dastehen als der Mißgünstling oder Naiv-Großzügige, als unverschämt oder überbescheiden.

Hier hilft folgendes, ein Schwenk fast in die Mathematik, zu einer Textaufgabe mit 10 Unbekannten, rechnerisch nicht lösbar: „Dieser Satz enthält die 1 _mal, die 2 _mal, die 3 _mal, die 4 _mal, die 5 _mal, die 6 _mal, die 7 _mal, die 8 _mal, die 9 _mal und die 0 _mal.“ Ein Satz, der seinen eigenen Ziffernschatz richtig nennen soll. Man kann ewig davor stehen bleiben und meinen was wäre. Jeder Ergebniseintrag beeinflusst alle anderen. Wie im Leben eben.
Und man kann einfach Zahlen einwerfen. Freilich ist das Ergebnis erstmal falsch. So liest man, was dann herauskommt, zählt dann die Ziffern, schreibt das hin, wieder falsch. Aber in kürzester Zeit wiederholt sich das Gleiche, ist ein richtiges Ergebnis da! Aus dem Prozess entstanden. So, wie der goldene Schnitt aus einem bestimmten Prozess entsteht, gleich ob man mit Fibonaccis Zahlen oder beliebigen anderen beginnt.
Der Prozess braucht Mut. Den Mut, vermeintliche Fehler zu machen, eine Weile mit Fehlern zu leben im Vertrauen in den Prozess.
Der Mut fällt eben sehr viel leichter, wenn man weiß, dass man Zeit hat, mehrere Runden. Gelegenheit auch, seine Zahl im Verhältnis zu den anderen wahrzunehmen.

Also macht man das verdeckt.
Jeder bekommt einen Zettel und schreibt seine Zahl drauf. (Wer keine schreibt, schreibt de facto den Mittelwert aus den Zahlen der Anderen hin).
Die Reihe der Beträge und der Mittelwert werden neu geschrieben offengelegt, also anonym.
Dann mit diesem Wissen das gleiche noch mal. Wer sich seiner Meinung sicher ist, bleibt bei seinem Wert. Oder: wer mit dem Mittelwert einverstanden ist, schreibt diesen, wer ihn nach oben oder unten beeinflussen will entsprechend etwas anderes, klar.
Bis der Mittelwert gleich bleibt.
Schlimmstenfalls gehen die Werte im Kampf um die Neigung des Mittelwertes extrem auseinander, hm. Das sagt dann was über die Gesellschaft, offensichtlich gibt es dann Mitglieder, die ihrer Meinung mehr Gewicht geben wollen als sie den Meinungen der Anderen zubilligen. Verboten ist das nicht und leicht können andere dagegenhalten, vielleicht tun es grade die Stimmschwachen dann.
Bestenfalls gibt es denselben Mittelwert durch 10 fast gleiche Zahlen. Einig.
Einig in jedem Fall.

Mit Excel ist das heute leicht vorbereitet, dann führt der Urnengang zur Tastatur.
Da kann im Vorfeld auch gerne beschlossen werden, Extremwerte abzuschneiden, das sogenannte „gestutzte Mittel“ zu verwenden, wenn „Abweichler“ einseitig zu weit ausscheren sollten.
Hier gibt es ein Link zu einem vorbereiteten Excelinchen. Mit zwei Tabellenblättern, einem, den obigen „Satz“ durchzuspielen, einem für diesen Verteilprozess. Es passt für bis zu 20 Teilnehmer, ist bis auf die Eingabefelder geschützt, aber Passwortfrei. Wer es sich weiter anpassen will muss den Schutz aufheben. Am besten scheint es mir mit OpenOffice geöffnet, unter „Ansicht“ das Häkchen vor „Spalten/Zeilenköpfe“ herausgenommen und dann „ganzer Bildschirm“ gewählt. So kann wirklich niemand schauen, was andere schrieben. So ist es schön groß.

Mit Dank an D. R. Hofstadter und D. Brüll,
Im Februar 2011