Ostern – Weihnächte

Zwei Jahreskronen sehe ich:

  • Die Passionswoche mit Ostern, der Entwicklung im 7-Schritt verbunden, zur 8 gerundet.
  • Die Weihnächte, 12 oder 13 – 11oder 12 Tage ´zwischen den Jahren`.
Weihnachtsvortrag (1984-89)
Kalenderfilz

Als Architekturstudent an der Alanus-Hochschule der musischen und bildenden Künste (1984-89) hörte ich einen Weihnachtsvortrag von meinem verehrten Dozenten Peter Ferger. Die Bilder der Weihnachtstagung von 1924, die Worte von den armen Hirtenherzen und den weisen Königshäuptern weckten eine Weihnachtserkenntnis in mir. Das ist ihr Inhalt: die Anordnung der drei Weihnachtsfeste ist weisheitsvolle christliche Form. Indem sie das Jahr kosmisch-astronomisch sinnvoll in eine Doppelzwölf gliedert, harmonisiert sie die Polarität zwischen Sonne und Mond. (Bekannt ist eine Überwindung derselben Polarität ganz anders von der Osterberechnung.)

Diese Weihnachtserkenntnis leuchtete fort und wurde zu einer dauernden Beschäftigung mit dem Kalender, einer Suche nach neuen Formen zur Belebung der heiligen Nächte.
Unsere Kinder sollten in Bildern erleben den Wechsel von hirtlichen Weihnächten zu königlichen, so schmückten wir zu Silvester den Baum entsprechend um: von „Stroh zu Gold“ – die baumschmückenden Äpfel fanden da als Bratäpfel ein würdiges Ende und wurden durch Glaskugeln ersetzt. So fügten wir Nacht für Nacht ein weiteres selbstgefertigtes Tierkreiszeichen zum Baumschmuck hinzu. Und setzten jede Nacht die Geburtstage des entsprechenden Monats neu auf ein gefilztes Jahresrund.

Heute – a tempo (02/2017)

In der „a tempo“ 02/2017 las ich von Michael Stehle eine Besprechung des Buchs von Roland van Vliet „Wer, denken die Menschen, bin ich?“:

…Das Bis-jetzt-nicht-Erkannte – auch dies war eines der Lebensthemen Roland van Vliets. So kann man es beinahe folgerichtige nennen, dass er im Jahr 2008 in Spanien einen bis dahin unbekannten manichäischen Tempel entdeckte. Hinweisen Rudolf Steiners folgend, reiste er nach Nordspanien und entdeckte in Santa Maria de Lara in der Provinz Burgos eine Kirche aus dem 7.Jahrhundert. „Ich ging hinein und war überwältigt von dem, was ich dort sah: Christus als Sonne (Sol) an der Säule rechts vor dem Altar, und Christus als Mond (Luna) an der linken Säule. Es war das Bild von Jesus als „Sonnen-Mond-Gott“, wie es der Manichäismus kennt.“…

Ich kenne weder Buch noch Schreiber, aber das Zitat hat mich sehr berührt und an den damaligen (Licht-)Einfall erinnert.
Desgleichen aus dem aktuellen Gemeindebrief der letzte Vers des Gedichts „Ostern“ von Albert Steffen:

Heb dich, Mensch, empor von deinem Fall !
Auf dem Regenbogen steig ins All,
Mondessichel fass und Sonnenscheibe !
Bau damit an deinem Sterbeleibe !

Rudolf Steiners Kalenderimpuls von 1912

(Rudolf Steiner, ein Vortrag “DIE GEHEIMNISSE DER REICHE DER HIMMEL IN GLEICHNISSEN UND IN WIRKLICHER GESTALT”, gehalten in Köln am 7. Mai 1912 vor Mitgliedern der theosophischen Gesellschaft, GA 143 ganz unten, im pdf Seite 163/164.)

…Es ist charakteristisch für unsere materialistische Zeit, daß man daran denkt, weil es der Materialismus so braucht, das Osterfest festzulegen, es zu fixieren, das also, was ihm seinen Sinn gibt, aufzugeben um industrieller und kommerzieller Erleichterungen willen. Ein rechter Ausdruck des materialistischen Sinnes unserer Zeit! Für den Abschluß gewisser Rechnungen mag es ja bequem sein, daß das Osterfest nicht einmal im April und im nächsten Jahre im März gefeiert wird, aber gerade dieses Bestimmen des Osterfestes nach der Konstellation am Himmel drückt aus, wie Irdisches und Himmlisches zusammenwirken. In dieser Festsetzung der Feste ruht eine große Weisheit der Urmenschheit. Allerdings siegen werden wohl die kommerziellen Interessen, und man wird wohl das Osterfest auf eine äußere Zeit fixieren, aber es würde schlimm stehen um dasjenige, was die Menschheit sich bewahren soll, wenn man den Sinn eines solchen Festes vergessen würde. Daher wird die Theosophie berufen sein, wenn auch das Osterfest nach äußeren Interessen festgelegt wird, es fortzuzählen als ein bewegliches Fest, das allein fixiert werden kann durch die Konstellation von Sonne, Mond und Gestirnen…

…Allerdings muß es Außenstehenden als äußerste Verdrehtheit erscheinen, daß wir das Jahr 1879 an den Anfang unseres Kalenders setzten. Da wollten wir aufmerksam machen darauf, daß es außerordentlich wichtig ist, das Jahr des Mysteriums von Golgatha als Anfang unserer Zeitrechnung zu nehmen, und nicht das Jahr der Geburt des Jesus. An einem Freitag, am 3. April des Jahres 33, drei Uhr am Nachmittag fand das Mysterium von Golgatha statt. Und da fand auch statt die Geburt des Ich in dem Sinne, wie wir es oftmals charakterisiert haben. Und es ist ganz gleichgültig, auf welchem Erdenpunkte der Mensch lebt, oder welchem Religionsbekenntnis er angehört, das, was durch das Mysterium von Golgatha in die Welt kam, gilt für alle Menschen. So wie es für alle Welt gilt, daß Cäsar an einem bestimmten Tage gestorben ist, und nicht für die Chinesen ein anderer und für die Inder wieder ein anderer Tag dafür gilt, ebenso ist es eine einfache Tatsache des okkulten Lebens, daß das Mysterium von Golgatha sich an diesem Tage zugetragen hat und daß man es da zu tun hat mit der Geburt des Ich. Das ist eine Tatsache ganz internationaler Art…

…Wir wollen die Geburt des Ich in unserem Kalender zum Ausdruck bringen. Damit ist aber verbunden, daß wir den Zeitpunkt dieser Geburt als Ausgangspunkt nehmen mußten. Also mußten wir von Ostern bis Ostern zählen, und nicht von Neujahr bis Neujahr. Wenn dadurch vielleicht auch neues Ärgernis gegeben wird und neuer Spott und Hohn hervorgerufen wird, so darf uns das wenig kümmern, denn wir wissen, wollten wir nur immer ein Altes, schon Dagewesenes in gleicher Weise wiederholen, so würde kein neues Leben entstehen. Das Gleiche, immer wiederholt, ist das Tote; das Ungleiche, in das Gleiche eingerückt, ist das Leben. Eine Lebensaufgabe aber ist unser Kalender. Und haben wir ihn jetzt sehr schlecht gemacht, so werden wir ihn im nächsten Jahre besser machen…

Steiner hielt diesen Vortrag in einer Zeit, in welcher die Weltkalendarier aktiv für ihre Reform warben, in diesem Bezug sind seine Ausführungen zu lesen.

(Der Kalenderimpuls von 1912 hatte außer der Zählung ab Christi Auferstehung von Ostern zu Ostern noch mehrere Aspekte:

  1. Die am 23. April 1912 an erster Stelle genannte Bildhaftigkeit, die Umwandlung der abstrakten Zeichen in neue gefühlsmäßige Imagination der Tierkreisbilder (Imme von Eckhardtstein), hat meines Wissens überhaupt keine kalendarische Fortsetzung gefunden. (Auch die Tierkreiszeichen aus Steiners Feder für das blaue Goetheanumfenster wurden nicht verwertet.)
  2. Die „prinzipielle Zuordnung der Monatsbilder zu verschieden langen Zeitabschnitten im Jahreslauf, und entsprechend dem heutigen Sternbilderstand„:
    • Für das siderische „Sonnenkalendarium“ kenne ich keinen Nachfolger. (Zwar u.a. der am Goetheanum herausgegebene Sternkalender nennt die Sonnenorte in dieser Weise, ist aber kein grundsätzlich allgemeiner Kalender.)
    • Den Blick auf die real sichtbaren (siderischen) Bilder hat z.B. der Aussaatkalender von Maria Thun aufgegriffen, inhaltlich das „Kalendarium des Mondes“ fortbildend.
  3. Zwar ein „Kalendarium der Namen“ nach Geisteswissenschaftlichen Gesichtspunkten gibt es verschiedentlich – „Die Jahres-Erinnerungstage streben naturgemäß nirgends eine Vollständigkeit an“ (Steiner im Vorwort) – z.B. in der erwähnten „a tempo“.
  4. Als Wochenkalender mit Betonung der Monate durch Teilwochenblätter jeweils zum siderischen(!) Monatswechsel war er konzipiert. Ein Nachfolge-Kalender für eine solche Anordnung ist mir sonst nicht bekannt.
  5. Allein der Seelenkalender ist heute existent und zeitlos gültig.

Eine Zusammenschau aller dieser Elemente wie für 1912/13 geschaffen, als etwas „was für jeden benutzbar ist, auf daß er sich durch die Benützung wiederum einen Schritt näher in die Bahn des Spirituellen hineinbegeben kann, als das durch andere Mittel erreicht werden kann“ (ZUR SYNTHESE DER WELTANSCHAUUNGEN – Rudolf Steiner am 16.Mai 1912 in München: GA 143) – eine solche Synthese wurde weder weiterentwickelt noch neu versucht.)

Lunisolar – Solilunar

In Steiners Vorschlag, die Jahre von Ostern zu Ostern zu zählen, Ostern also als Neujahr zu setzen, sehe ich eine Überhöhung des Lunisolaren Prinzips:

Betrachten wir zunächst die zugrunde liegenden lunisolaren Kalender. Diese sind echte Mondkalender, richten sich nach dem wirklichen Mondstand so, dass sie aus 12 Monaten ein Jahr bilden, nach 12 Monaten Neujahr feiern. Damit das aber einigermaßen mit dem Sonnenlauf und den Jahreszeiten zusammenbleibt, fügen sie in jedem dritten oder manchmal bereits zweiten Jahr einen dreizehnten Schaltmonat ein, der den Unterschied zwischen Mond- und Sonnenjahr ausgleicht.
Der jüdische Kalender ist unter ihnen etwas Besonderes, mit einigen Extrabestimmungen wird erreicht, dass bestimmte Kalenderdaten nur auf bestimmte Wochentage fallen können. Damit ist der Woche als Folge qualitativ verschiedener Tage wohl zum ersten Mal eine kalenderbestimmende Bedeutung zugefallen.

Genau dies nun wird durch den Osterkalender ganz real: die Wochentagsfolge bestimmt den ganzen Kalender. Jedes Jahr beginnt immer mit einem Sonntag und endet auf einem Samstag. Das hat zur Folge, dass die Monate innerhalb des Jahres keine kalenderbestimmende Funktion mehr haben können. So sind die Osterjahre zwar unterschiedlich lang in Abhängigkeit davon, ob sie auf einem 12- oder auf einem 13-monatigen lunisolaren Jahr beruhen, aber dauern nicht 12 bzw. 13 Monate, sondern im ersten Fall 50 oder 51 Wochen, im selteneren zweiten 54 oder 55.
(Z.B. in den Jahren zwischen 1900 und 2200 gibt es 120 Jahre mit 51, 92 mit 55, 70 mit 50 und 19 mit 54 Wochen.)

Die Weisheit, die in der Osterfestlegung liegt, ist diese: Zuerst wird die Tagundnachtgleiche erwartet – nördlich die des Frühlings, südlich die des Herbstes – das ist eine Verbeugung vor den Sonnenkalendariern. Dann zieht man den Hut vor den Mondkalendariern, indem man den folgenden Vollmond abwartet. Der Sonntag danach ist Ostern – eine Datierung, welche ihre Basis in beiden Systemen hat, diesen beiden die Reverenz erweist und danach unabhängig von beiden den Sonntag feiert. In zeitlichem Nacheinander wird in freundlichster Weise ein Drittes gewählt und Freiheit geschaffen.

Die Weisheit, welche in der Festsetzung der Weihnachtsfeste ruht, ist eine andere: Sie schafft einen sozusagen „soli-lunaren“ Kalender. Das Sonnenjahr ist dabei als feste Größe die Ganzheit. In Form der 12 Nächte wird die Differenz zu 12 Mondmonaten abgezogen, nicht wie bei den lunisolaren zu gelegentlichen 13-ten Monaten addierend angesammelt – dadurch gibt es in jedem Jahr 12 echte Monate und 12 Nächte als Pause. Diese 13-te Einheit ist die ganze 12 in anderer Form, nicht nur ein weiterer gleicher Monat. In diesem quasi räumlichen Nebeneinander können sich die Sonnenkalendarier solidarisch mit den Lunariern zeigen und umgekehrt, indem die Solarier auf eine Abstraktion der Monate verzichten – und die Mondkalendarier umgekehrt auf den immer gleichen Monatsbeginn.

Ob und wie diese beiden Vorschläge zu vereinen sind, wird am Ende sichtbar werden!

3 Weihnachtsfeste:

Das Weihnachtsfest gibt es als Doppel von der Hirten- und der Königsbegegnung und Epiphanie, drei Feste an zwei Terminen. Sie halten 11 Tage zwischen sich oder 12 Nächte. Das ist genau der Unterschied zwischen 12 (synodischen) Mondzyklen und einem astronomischen Jahr. Das ist ein Angebot, das Jahr zu gliedern in zwei Zwölfheiten:

Zwölf Monate, echte, unabstrahierte – beginnend am 6.1. und endend mit dem 25.12. – als „Werktage“ oder Werkmonate des Jahres. Dank sei dem Mond. Und die Jahre unterscheiden sich, jedes beginnt mit einem anderen „Mond“ seine Monate, mit Neu-, Halb-, oder Vollmond gelegentlich, oft zu Zwischenzeiten. „Im Jahr, als Vollmond am dritten war“.

(Freilich, wenn wer sich nicht großzügig direkt nach dem geschauten Mond richten, sondern vorab festlegen will, wann genau der Monats-Erste sei, geht das auch nicht ohne Abstraktion. Erstens ist der Mondrhythmus vielfach kompliziert, sehr schwer zu fassen, zwar einerseits die Wiederkehr des immer Gleichen, doch im Detail „immer anders“. Zweitens ist z.B. der „dritte Tag vor Vollmond“ nicht jedes Mal der „elfte Tag nach Neumond“, mal findet eine Mondphase um 0:02 statt, mal um 23:59. Je nach Nähe oder Ferne zur Erde läuft der Mond unterschiedlich schnell (anomalistischer Monat), von einer Viertelphase aus fällt eine nächste einmal schon auf den sechsten, manchmal erst auf den neunten Folgetag! Und drittens natürlich ist die Zeit vom 6.1. bis zum 25.12. im Normaljahr etwas kürzer als 12 echte Mondmonate und im Schaltjahr länger.)

Zwölf Nächte, die heiligen, als „Sonntag“ des Jahres, als sein Geburtstag aus lauter Sonn(tag)nächten, Weihnächten bestehend, Bereitungszeit, Vor- und Nach-, zwischen den Jahren, den drei Geburtsfesten an zwei Tagen:

  • Am 25.12. die mondliche Lukasweihnacht – lauschende Hirten, Werktagsmenschen am Stall, mit guten Gütern dem Menschensohn.
  • Am 6.1. die sonnhafte Matthäusweihnacht – sternschauende Weise und Könige mit Sonntagsgaben für den Gottessohn und Menschenkönig.
  • Auch am 6.1. die anders ebenso sonnhafte Epiphanie, Geburt des Gottes im Menschen, von Markus und Johannes an den Anfang ihrer Berichte gestellt.
Astronomische Grundlagen

Das tropische Sonnenjahr hat im Mittel etwa 365,24 Tage, 12 Monate dauern 354,37 Tage, der Unterschied beträgt 10,88 oder gerundet 11 Tage bzw. 12 Nächte.

Um ca. elf Tage pro Jahr verschiebt sich zum Beispiel das islamische Mondjahr, dessen Neujahrfeier wandert bekanntermaßen durch unser Normaljahr:

Am 1.1.1911 begann auch gleichzeitig das islamische Jahr 1329, das Neulicht wurde vor dem Sternbild des Schützen gesichtet (siderisch – tropisch befand es sich im Zeichen des Steinbocks). Wieder vor dem Schützen begann im selben Sinne am 7.1. bzw. am 27.12.1943 das Jahr 1362 bzw. 1363, dann am 2.1.1976 das Jahr 1396, am 28.12.2008 das Jahr 1430. Am 3.1. bzw. am 23.12.2041 beginnen mit Mond vor dem Schützen die Jahre 1463 bzw. 1464, am 19.12.2074 das Jahr 1498 und am 5.1. bzw. am 26.12.2106 die Jahre 1530 bzw. 1531. – Das sind 6 Perioden in 195 bzw. 196 Sonnenjahren (6*32 bzw. 33) oder 201 bzw. 202 muslimischen Mondjahren (6*33 bzw. 34).

Nach etwa 33 Sonnenjahren sind 34 Mondjahre oder 12er-Mondzyklen vergangen.
(Die Realität diese 33-er-Rhythmus für die Geschichtsbetrachtung hat Rudolf Steiner mehrfach auseinandergesetzt: Basel, 23.09.1917 GA 180, Dornach 26.12.2017 und Dornach 14.12.1919.)

Polarität Sonne-Mond

Die Polarität Sonne-Mond ist hier Bild einer Urpolarität schlechthin. Tag-Nacht, Männlich-Weiblich, Geist-Stoff, Form-Stoff, Himmel-Erde, Licht-Finsternis lassen sich grundsätzlich in diesem Doppel-Bild sehen. (Mag solche Zuordnung auch sicher nur jeweils unter bestimmten Aspekten gelten, mag mit „Sonne“ und „Mond“ in anderen Zusammenhängen sinnvoll anderes begriffen werden.)
Hier ist die Frage relevant, wie sich die Bedeutung von Sonne und Mond generell in Zeitauffassungen spiegelt, wie sich dies in Sonnen- bzw. Mondkalendern niederschlägt und insofern in der Bewusstseinsgeschichte entwickelt.

Zuerst sollen die verschiedenen Erdenorte angeschaut werden, insofern das Verhältnis des Menschen zum Kosmos dort einen bestimmten Kalender nahelegt, eine Neigung zu Sonnen- oder Mondkalender bestimmt.

Zeitstruktur an verschiedenen Erdenorten:
Polsituation:

Stellen wir uns gedanklich auf einen Pol der Erde. Dann dreht sich eine Himmelshalbkugel über uns um den Zenit, immer die gleiche, ohne Veränderung. Ein ewig gleicher Fixsternhimmel ist sichtbar.
Allerdings ist ein halbes Jahr heller Tag, da sieht man ihn nicht: geht doch die Sonne nur einmal auf (das dauert gut 30 Stunden, mehr als eine Umkreisung des Horizontes!), schraubt sich dann ein viertel Jahr lang langsam bis zum höchsten Punkt und geht nach insgesamt einem halben Jahr wieder genauso langsam unter, bleibt unterhalb für das nächste Halbjahr. Der Lichtwandel eines „gewöhnlichen“ Tages unserer Breiten macht hier aufs Jahr gedehnt die Jahreszeiten aus, Himmelsrichtungen gibt es nur eine.

Gäbe es die Neigung der Erdachse nicht, dann liefen Sonne, Mond und alle Planeten immer am Horizont herum, immer gleich halbsichtbar (wenn nicht ein Eisbär oder –berg den Blick grad hinderte). Immer auf „Du und Du“, uns gegenüber. Jedoch gibt es die Neigung der Achse, so wird die andere Himmelshalbkugel erahnbar.
Wie die Sonne lassen alle Planeten erfahren, dass es da eine andere Himmelshälfte geben müsse, alle gehen sie halbzeitlich auf und unter, nur die Geschwindigkeiten der Planeten differieren:
Vom Nordpol aus gesehen ging z.B. Saturn als langsamer Läufer im Herbst 2010 unter, wandert nun vor dem südlichen Teil der Ekliptik, tummelt sich also seitdem in den vom Nordpol aus ewig unsichtbaren südlichen Tierkreisbildern. Er wird erst im Frühjahr 2026 wieder aufgehen. Manch Sechzehnjähriger Polbewohner hat ihn dann noch nie gesehen;-)
Jupiter verschwand von dort gesehen im Oktober 2016 unter den Horizont und wird 2022 im Oktober wiederum erst nach 6 Jahren wieder aufgehen.

Welche Zeitstruktur bietet sich für das Jahr an den Polen an? Weil das Jahr wie ein Tag ist, sind das natürlich Sonnenauf- und untergang, -höchst- und -tiefststand. Die Tag- und Nachtgleichen sowie die Sonnenwenden bilden ein großes Kreuz. Weitere Unterteilungen bietet der Sonnenlauf nicht an.
Am Pol selbst ist der Mond keine Hilfe, ein halbes Jahr ist Tag und er unsichtbar. (Den Fast-Vollmond kann man hierzulande auch bei Tage sehen, er befindet sich jedoch logischerweise gegenüber der Sonne und am Pol im Sommer also unter dem Horizont.) In der anderen dunklen Jahreshälfte ist er auch nur von Halbmond zu Halbmond auf der vollen Seite erlebbar.
Das Jahr ist der Tag, was wären da Stunden? Als rechnerische Teilung mag man sich einer Zwölfteilung bedienen, einen konkreten Grund findet man in den kosmischen Realitäten nicht.

Wie sieht eine Sonnenuhr aus am Pol?
Ein halbes Jahr lang kann man die Sonnenhöhe allseitig messen, ein drehsymmetrischer Kegeltrichter mit 23,5° geneigter Wandung als skalierte Schale wäre sinnvoll, bei Höchststand wäre die Schale grade eben ganz sonnengefüllt, ansonsten gäbe es drehend eine größere oder kleinere beleuchtete „Sichel“. Die Sonnenhöhe gibt dann das Datum. Ein senkrechter Stab in der Mitte würde im Rund gegenüber die Stunden anzeigen können – aber was sind am Pol Stunden?

Am Äquator:

Laufen wir in Gedanken auf dem Äquator der Erde. Dort dreht sich der ganze Fixsternhimmel um uns herum, die ganze Himmelskugel ist erlebbar, rollt um uns herum. Kein Fixpunkt gibt es im Zenit sondern zwei am Horizont: der „Nord-“ und der „Süd-Stern“ (meist hinter Dschungelbäumen oder Sanddünen versteckt). Dann zwei Orte in Ost und West, für schnellen Auf- und Untergang von Sonne, Mond und Planeten. Alle Himmelskörper gehen täglich auf, rollen über uns hinweg und gehen unter, jeder Tag ist gleich lang (+-15′ durch die Jahreszeiten – die Abweichung der Sonnenuhr von der mechanischen Uhr durch die „Zeitgleichung“ kann sogar größer sein!). Nur kurz, für Minuten, passieren alle das „Du und Du“–Gegenüber, ziehen sonst hoch oben über den Himmel oder unterm Horizont durch den Nadir.
Der Achsenneigung wegen ziehen Sonne, Mond und alle Planeten mal nordwärts geneigt darüber, mal südwärts.
Zweimal pro Jahr zu den Äquinoktien zieht die Sonne mittags genau durch den Zenit, da ist Höchststand und also Sommer? Beidseits gibt es je einen Sonnentiefststand, was sonst man Winter nennt – je zwei?
Jahreszeiten sind hier schwer festzumachen, kaum an Licht oder Wärme zu messen, werden meist an Trocken- bzw. Regenzeiten erlebt.

Welche Zeitstruktur bietet sich an am Äquator? Die vier Sonnenpunkte im Jahr sind kaum zu erleben, schwer zu bestimmen.
Eindeutig und exakt liegen am Äquator alle Aufgänge im Osten, alle Untergänge im Westen, „gen Abend“, „gen Morgen“, das sind genaue Richtungen, die niemals verwackeln (fast: freilich schwankt die Ekliptik um die genauen Ost- und Westpunkte herum, je 23,5° – die Achsneigung der Erde. Aber mehr nicht.) Mit zeitlichen Begriffen kann der Raum gefasst werden: Tagreisen sind eindeutige Weglängen hier, ein viertel Tagesritt ist eindeutig bestimmt, ein 12tel des hellen Tags ist eben immer genau eine Stunde, „Der Raum wird hier zur Zeit“. In Folge sind auch die Mondphasen eindeutig bestimmbar und bestimmend: Der Vollmond geht genau mit dem sehr kurzen Sonnenuntergang auf, der zunehmende Halbmond steht zum Sonnenuntergang genau am höchsten, sein eigener Untergang markiert genau die Nachtmitte, etc..

Wie sieht eine Sonnenuhr aus am Äquator? Einmal sah ich eine in seiner Nähe, die hatte als Stele mit quadratischem Querschnitt richtig an allen vier Seiten einen Schattenwerfer und Skalen! Denn von allen Seiten kann der Sonnenschein kommen. Horizontal sind die Stundenweiser hier, vertikal kann man das Datum ablesen: die Stele wirft zum Weihnachtsmittag ihren Schatten nach Norden, zu Johanni aber nach Süden!

Wendekreis:

Läuft am Äquator die Sonne genau ein halbes Jahr mittags über den Süden (wenn im Norden Winter ist) und das andere Halbjahr über den Norden, so ist das wenige -zig Kilometer neben dem Äquator schon anders: die Tage, an denen die Sonne zu Mittag senkrecht steht, wandern von Frühlings- und Herbstpunkt aus auf der einen Seite auseinander, auf der anderen zusammen, bis sie sich an den Wendekreisen zu einem einzigen Mittsommertag mit senkrechter Mittagssonne vereinen. (Noch 370km innerhalb liegen die beiden Tage etwa 2 Monate auseinander, gibt es dazwischen einen kleinen Winter!)

An den Wendekreisen sei die nächste Station: hier ist fast der ganze Sternenhimmel sichtbar, zwar nur ein Polpunkt, um den sich alles dreht. Hier steht genau einmal im höchsten Sommer die Sonne senkrecht, ebenso der Wintervollmond. Süd und Nord als Richtungen der Mittagssonne sind ab hier eindeutig.

Von hier weitergewandert zu den Polen wird der überschaubare Fixsternhimmel immer kleiner. Die Mittsommersonne steht immer niedriger, sie wie auch der Mond und alle Planeten nähern sich dem Du-und-Du-Gegenüber, kommen in ihrem ganzen Lauf auf Augenhöhe herab.

Die Auf- und Untergangsorte ziehen sich immer weiter auseinander, in Mitteleuropa z.B. geht etwa zwischen Kiel und Aalborg die Mittsommersonne genau im Nordosten auf und die Mittwintersonne im Südosten, überstreichen die Aufgänge im Lauf des Jahres ein Viertel des Horizontes. Immer leichter wird es, das Sonnenjahr anhand dieser Orte zu bestimmen.

Polarkreis:

Sehr interessant ist es an den Polarkreisen: Am nördlichen z.B. ist über die nördliche Himmelshälfte hinaus genau so viel der südlichen einzusehen, dass die ganze Ekliptikebene erfassbar wird (Zwar Hälften der südlichsten Tierkeisbilder, die südwärts „darunter“ liegen, sieht man nicht). An jedem Tag im Jahr liegt sie einmal mit diesem identisch genau auf dem Horizont, im ersten Halbjahr mit Sonnenaufgang, im zweiten zum Untergang, je zu den Sonnenwenden wechselt das, da sind die beiden Punkte identisch. Zu diesen Zeitpunkten liegt der Tierkreis immer genau gleich: liegen Fische und Wassermann links und rechts des Frühlingspunkts im genauen Osten, gruppieren sich die übrigen Bilder im Rund bis zum Kopf der Jungfrau am Herbstpunkt im genauen Westen.
Und weil die Sonne in einem Jahr gleichmäßig einmal rund durch den Tierkreis wandert, scheint sie in gleichmäßigen Schritten von jedem Punkt des Horizontes aus.
Hier gibt es von Süden kommend den ersten Polartag: einmal im Jahr geht die Sonne nur halb unter im Norden, auch die erste Polarnacht: einmal geht sie nur halb auf im Süden. Was bedeutet, dass die Sonnenaufgänge nicht nur zwischen NO und SO schwanken, sondern ganz von Nord bis Süd: Im Hin und Zurück könnte man 365 Aufgangssteine setzen ins östliche Halbrund, 365 Untergangssteine gegenüber! (Weil das Jahr nicht genau 365 Tage hat, sind die Orte des Hin nicht identisch mit denen des Zurück). Jeder Tag des Jahres hat seinen eigenen Orient: „Zum Raum wird hier die Zeit“, sie ist räumlich erlebbar. Jeder Tag des Jahres hat seine zwei Orte, mit Markierungen im Kreis kann man jeden Tag eindeutig bestimmen – zwar sind die Auf- und Untergänge alle sehr flach. 730 Orte auf den 360° des Horizontkreises verteilt gibt ziemlich genau ein halbes Grad pro Ort: Da die Sonne erscheint als eine etwa ein halbes Grad große Scheibe, bilden alle auf- und untergehenden Sonnen zusammengeschaut je eine durchgehende Perlenkette um den Horizont!
Der Mond erscheint gleich groß, so bilden auch alle Auf- und Untergangsmonde zusammen eine Perlenkette. Allerdings braucht der Mond von einem Aufgang bis zum nächsten etwa 50 Minuten länger als 24 Stunden, er geht pro Monat genau einmal weniger auf und unter als die Sonne, im Jahr also nicht 365, sondern 353 mal. Und diese Perlenkette hat nur gute 2 mal 12 Vollglanzperlen mit den Vollmondauf- und -untergängen. Und sie wird nicht etwa Schritt für Schritt am Horizont entlang gebildet, sondern in gut 12 Monatsrundgängen werden die Auf- und Untergangsmonde verteilt…

Von hier aus zu den Polen wird die Perlenkette dünner, weil eine immer längere Zeit Polarnacht einerseits und Polartag andererseits herrschen, gibt es überhaupt immer weniger Auf- und Untergänge bis dann an den Polen nur noch je ein einziger pro Jahr stattfindet.

Wer mit dem sehr zu empfehlenden Programm Stellarium arbeitet, findet hier die beschriebenen Erdorte „user_locations“ zum Einsatz in C:\User\User\AppData\Roaming\Stellarium\data.

Sternenhimmel N Sonnenring
Sternenhimmel N Sonnenring

(Ein Vorgriff auf das im Weiteren beschriebene Programm:
Mit diesem lässt sich ein Ring von Kringeln Tag für Tag erzeugen, gedacht eigentlich, um sich Ferien oder sonst längere Epochen im Außenrund zu visualisieren. Für die folgenden Abbildungen sind an allen Tagen des Jahres Kringel in Gelb gesetzt, das sind zwar zunächst nur 365 Aufgangs-Sonnen im Rund. Diese Kalenderbilder sind dann in Screenshots von Stellarium eingebaut so, dass diese „Sonnen“ auf der Ekliptik liegen je in dem Moment, an dem diese der Horizont ist.
Einmal in stereometrischer Projektion vom nördlichen, einmal in flächengleicher Projektion vom südlichen Polarkreis aus gesehen. Letztere Ansicht mit Liste der Feiertage, welche per farbigen Rahmen die Tagfelder markieren.)

Sternenhimmel N stereometrisch
Sternenhimmel N stereometrisch
Sternenhimmel S flächengleich
Sternenhimmel S flächengleich
Bezug zum Menschen

Schauen wir in dieser Art auf das Verhältnis, dass Menschen von verschiedenen Erdorten aus zum Kosmos haben:

An den Polen befinden wir uns je an einem Kopf der Erde. Dort herrscht ewige kühle Ruhe, zwar dreht sich die sichtbare Fixsternhälfte, bleibt aber immer die gleiche. Wir erleben ein Zentrum, es gibt nur eine Richtung.
Der reine Polarianer wäre ein allseitig gebildeter kühler Kopf, Augen rundum. (Mindestens vielleicht ein viergesichtiger Svantevit?). Er weiß immer alles und ewig. Aber nur die eine Hälfte!

Der reine Äquatorianer wäre vielleicht wie ein Escher´sches Krempeltierchen, ein sechsbeiniger Gliederwurm, der sich zusammenrollt und dann wie ein Rad bewegt, Ohren in der Achse, immer in heißer Bewegung – auch er kann nie mehr als eine Hälfte des Himmels sehen, insgesamt aber alles erfahren!

Die Erde ist ein Doppelmensch, mit zwei Polköpfen und in eins verschlungenem Stoffwechseläquator und Gliedmaßengürtel. In ihrem Verhältnis zum Kosmos sind beide Hälften gleich.

Nicht gleich sind die Hälften selber, die Nordhälfte ist Wasser, Erde, Wasser und die Südhälfte andersherum organisiert, welche ist weiblich? Das ist ein eigenes Forschungsfeld:

Am Südpol ist Festland, da herum gibt es am Polarkreis einen vollständigen Wassergürtel und zwischen Wendekreis und Äquator drei nach Norden sich verbreiternde Festlandmassen.
Am Nordpol ist Wasser, am nördlichen Polarkreis folgt fast ein Landgürtel (die beiden hier breitesten Kontinente, Nordamerika und Eurasien berühren sich fast), dann zwischen Wendekreis und Äquator zwar kein Wassergürtel, man müsste denn den Panama- und den Suezkanal einrechnen. (Bild1) (2)

(Das scheint schräg: Südamerika nimmt zipflig Bezug auf zur Antarktis, dann drängt es äquatorwärts ins Weite, hat ziemlich genau dort die größte Breite. Afrika anders scheint weit nach Norden gedriftet, das Mittelmeer hochschiebend. Ein Drittes scheint sich getrennt zu haben: Australien blieb rund zurück, ohne sichtbare Tendenz – Indien und China, morphologisch nach Norden driftend, erscheinen ganz mit Eurasien verschmolzen, haben den Himalaya emporgehoben und zusammen mit Afrika den Wassergürtel Mittelmeer – Schwarzes Meer – Kaspisches Meer – Aralsee… anhebend ausgetrocknet. Zwar auch durchs rote Meer mag der unterbrochene Wassergürtel fortgesetzt empfunden werden, wieder seinen eigenen Platz zwischen Wendekreis und Äquator einnehmend…)

Zusammenhang zur Musik:

Vom Äquator aus erlebt bietet sich an der Mondkalender mit seinem Aufbau aus einem Schreitmaß, ihm entspricht der Quintenzirkel als Folge. Nur führt die Folge nicht rundend zum Schluss, nur hörend Intervallschritte aneinanderbauend kommt man nicht zum Ganzen, die Quintenfolgen gehen nicht auf mit den Oktaven. Die Differenz nennt man das pythagoreische Komma.

Vom Pol aus bietet sich an der Sonnenkalender mit seiner Aufteilung des Ganzen in zunächst 4 große Abschnitte. Hier ist es wie in der Musik mit der Oktave: sie gleich zu teilen in vier kleine Terzen ergibt sich leicht von selber, geht völlig rein auf und klingt stimmig. Aber dann hört die weitere halbierende Gleichteilung sich nicht mehr gut an, wird fraglich, bleibt offen. (8) 3/4-Tonschritte oder (16) 3/8-Tonschritte sind uns fremd. Die Drittelung von dort aus ist aber eine Abstraktion, führt zu missgestimmten Monaten.

So gab es in der Musikgeschichte zunächst keine reine Stimmung über einen größeren Klangraum, blieben Orgel, Harfe und Klavier an den Enden unmöglich. Da war die Abstrahierung, Temperierung das Mittel der Wahl und Qual. Durch sie wurde gefunden die Folge der reinen kleinen Terzen aus gleichmäßiger doppelter Halbierung des Ganzen, der Oktav – und damit auch gefunden der „christliche“ gleichstufige Tritonus, der rein klingt und weder verminderte Quint, noch übermäßige Quart ist, welche beide auflösebedürftig, noch „schreiend nach Erlösung“ sind.

Die heiligen Nächte sind das pythagoreische Komma des Jahres. Werden sie ernst genommen, wird die Miss-Stimmung am Oktavende oder zwischendurch mit temperierten Monaten überflüssig, eine reine Stimmung neu möglich.

Mit Nutzung der neuen reinen Terzen lässt sich eine neue reine Stimmung erreichen. (Siehe Maria Renold: „Von Intervallen, Tonleitern, Tönen…“) Die Tonarten unterscheiden sich neu durch die Orte, an denen diese Intervalle stehen. In ähnlicher Weise unterscheiden die Jahre sich danach, mit welcher Mondphase die Monate beginnen.

Zusammenhang zur Baukunst:

In Polnähe findet man Steinkreise zur Bestimmung der vier wichtigsten Jahrpunkte, gebaute Bilder des polarianischen Weltverhältnisses: Der Mensch in der Mitte eines Umkreises, diesen in ewiger Ruhe überblickend und gliedernd auf räumliche Art. Im Kreuz der vier Sonnenzeitpunkte.

In Äquatornähe, z.B. in Ägypten findet man Widderalleen, die sich fortsetzen in weiterer Wegarchitektur, Säulen und wieder Säulen. Gebaute Bilder eines anderen Weltverhältnisses: Der Mensch im rollenden Rad als schreitender, Schritte messender Wanderer. Im Kreuz der vier Erdraumrichtungen sich haltend im konstanten Zeitmaß des Schrittes.

Es gibt Plätze und Wege, Zentral- und Richtungsbauten. Beide sind in ihrer Einseitigkeit sinnvoll für je Bestimmtes, jedoch kann man die Baugeschichte auch als den dauernden Versuch eines Ausgleichs, einer harmonischen Überwindung dieser zwei polaren Auffassungen sehen. Jeder Zentralbau hat doch ein Vorne, einen Eingang – so, wie des Menschen Kopf bei aller Rundung doch ein Gesicht und Richtung hat. Jeder Richtungsbau hat doch ein Ziel, in dem die Bewegung zur Ruhe kommen soll und sich alles runden möchte. Und damit hat jede Säule eine unterschiedliche Nähe zum Ziel und die Annäherung als Entwicklung möchte fühlbar werden – so, wie des Menschen Gliedmaßenknochen bei aller Streckung doch in einer Kopfrundung je zur Ruhe kommen.

Mit 12 Jahren war ich einmal in einer modernen Kirche, welche die Besucher um einen ziemlich zentralen Altar versammelt – ich erinnere mich gut daran, wie unzulänglich so fast in der Mitte der Priester als Mensch wirkte, wenn er predigend in deutlicher Richtung agierte. Der Mensch ist eben nicht drehsymmetrisch.

Griechische Tempel fanden die Harmonie in ausgewogenen Verhältnissen, auch romanische Bauten überzeugen durch ihre Ruhe, insofern sie Richtungsbauten sind. Wenn denn Säulen längs ihrer Achse nicht Wiederholung eines Gleichen sind, so sind sie noch ein Nebeneinander verschiedener Lebensfelder. Im Barock taucht erstmalig die Ellipse auf als gerichteter Rundbau, zwar zeigt nicht die Form selber, welches Ende das Ziel sei, das müssen weitere Attribute leisten.

Vom ersten Goetheanum ist genau dies berichtet: es war Zentral- und Richtungsbau in Einem. Richtungsbau erstmals so, dass die Säulen in der Entwicklung ihrer Sockelformen und Kapitelle jede einzeln ihre Nähe oder Ferne zum Ziel zeigten und also enthielten. Zentralbau erstmals so, dass durch die sich entwickelnden Formen eine innere Richtung deutlich war und so, dass durch die ungleiche doppelte Rundung die Richtung im Baukörper selber lag.

Neigung der Achse als Auflösung der Polarität:

„Zum Glück“ gibt es die Neigung der Erdachse, der Mensch hat ihren Winkel aufgenommen in die Herz- wie die Augenachse (2*12°). Es gibt Jahreszeiten, überall, und eigentlich nur Zwischenorte, in diesem Sinne nicht Äquator noch Pol.
Der Mensch hat Kopf und Gliedmaßen in Ausgewogenheit, in menschlichem Maß. Und metamorphosisch verbunden ist „das je Polare immer dabei“, hat der Kopf seine Gliedmaßen und jede Gliedmaße ihren Kopf.
Aber vielleicht ist deutlich, welch fundamentaler Unterschied in der jeweiligen Weltauffassung liegt. Der zeigt sich überall im Leben, selbst in Banalitäten, immer gibt es zumindest eine Tendenz zur Vorherrschaft der einen oder anderen:

Beispiele der Polarität:

Wenn Aufsätze geschrieben werden, gibt es immer Schüler, die loslegen, schreiben, Schritt um Schritt, rollend fast – schwer ist ihnen zu finden der Schlusspunkt. Andere beginnen erst, wenn sie quasi die Quintessenz haben, aus dem Überblick sozusagen mit dem Inhaltsverzeichnis – schwer kommen sie in Fluss.
Wenn die Tageszeit genannt werden soll, empfinden manche die vollen Stunden fast räumlich als Gliederungspunkte des Ganzen und wissen sich eine Spanne davor oder danach: Viertel vor oder nach, fünf nach halb… – zählen andere die abgeschrittenen Viertel; viertel, halb, dreiviertel, um. Vier. Usw.

Computus

Alles ist immer anders – das Jahr hat nicht genau 12 Monate, es hat auch nicht genau 365 Tage, auch gehen diese nicht mit der Wochenzählung auf: so fällt jeder Geburtstag jedes Jahr auf einen anderen Wochentag, so war es gar nicht so einfach, in der Zeit der 12 heiligen Nächte das oben abgebildete Filzrund neu zu bestücken, forderte Denken und Rechnen.

Da lag es bald nahe, den Kalender entsprechend als „Doppelzwölf“ zu programmieren. Alle weiteren Bilder sind mit dem entstandenen Programm hergestellt. Kalender sind seit je ein Grund für das Rechnen, für die Entwicklung von Rechentechnik („Computus“ bedeutet ursprünglich „Rechnen mit Zeit“, hat dann die Osterberechnung im Besonderen bezeichnet).
In diesem Zusammenhang entstanden weitere Themen, über die Funktion des Geburtstagskalenders hinaus:

  • Weltkalender – wie lässt sich ein solcher Entwurf welttauglich gestalten? Dazu gehört seine potentielle Akzeptanz für alle Kulturen. Zum Beispiel die „abrahamitischen“:
    • Abrahamitischer Trialog – auch Feiertage sollen sich darstellen lassen verschiedenster Kulturen, auch muslimische oder jüdische Jahre sollten im neu vorgeschlagenen Modus darstellbar sein.
  • Tierkreisstellung des Mondes – da die lunaren Rhythmen ernst genommen werden, gehören auch die z.B. von Maria Thun berücksichtigten dazu.
  • 12 oder 13 heilige Nächte? Rudolf Steiner hat einmal über zwölf und fortan immer über 13 heilige Nächte gesprochen. Aus dem bisher betrachteten kosmischen Zusammenhang zwischen Mond- und Sonnenjahr lässt sich nur die 12 begründen – im Weiteren werden andere relevante real kosmische Zusammenhänge in den Blick genommen, aus denen auch die 13 plausibel wird.

Zu letzterer Frage hat Michael Ladwein eine ausführliche Zusammenstellung geschrieben.

Das Jahr in Monaten:
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Wenn wer das Jahr in Monate teilen will, sollen es wirkliche Monate sein. Solche Forderung lese ich aus Steiners Wertschätzung: „…gerade dieses Bestimmen des Osterfestes nach der Konstellation am Himmel drückt aus, wie Irdisches und Himmlisches zusammenwirken. In dieser Festsetzung der Feste ruht eine große Weisheit…„.

Alle dinglichen sogenannten Mondkalender, die ich bisher fand, sind nicht in solchem Wirklichkeitssinn welche: Sie sind zumeist einfach der üblich sortierte Kalender mit zusätzlichen Informationen zum Mond, teils als Text, oft auch mit Bildern der Phasen.

In diesem Vorschlag versuche ich mit genau solchem Sinn für konkrete Realität, die Tage wirklich und anschaulich nach den Mondrhythmen zu platzieren. Sie werden nicht abstrahierend in Spalten gleicher Monatsdaten oder Wochentage gesetzt, sondern der Mondrhythmus selbst gibt das Maß, die Tage verteilen sich auf Linien gleicher Mondphasen:

So wird dreierlei deutlich:

  • Wie die bestehenden synodischen Mondkalendersyteme der Juden und Muslime (Bild 1 und 2) zwar wirkliche Monate abbilden, aber auch, wie unscharf diese sind und auch nur sein können: der Mond fügt sich nicht in die Tagfolge oder auch umgekehrt. Annähernd einen halben Tag Versatz gibt es jeden Monat und mal fällt das nächste Phasenviertel schon auf den sechsten Folgetag, mal erst auf den Neunten!
  • Wie julianische und gregorianische „Monate“ eben keine sind, sich im Verhältnis dazu verschieben (Bild 3).
  • Wie der „neue Kalender“ Jahreszeitentreue und echte Mondmonate neu kombiniert, die Unschärfe aller anderen Monatssysteme durch die „Umarmung“ der 12 Nächte rundend beruhigt (Bild 4).
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Tierkreis & 12 heilige Nächte

Sobald von 12 und nicht von 13 heiligen Nächten die Rede ist, findet man die Tierkreiszeichen zugeordnet, das ist sehr naheliegend. Vielfach wird dabei einfach die klassische astrologische Reihenfolge vom Widder hinunter bis zu den Fischen angewendet.

Andererseits wird in den Gebräuchen zu den heiligen Nächten ein selbstverständlicher Bezug zu den Monaten gesetzt, meistens wird nach üblicher Reihenfolge gleichsinnig durchgegangen so, dass z.B. die Träume der ersten Nacht für den Januar bedeutsam gehalten werden bis zur letzten Nacht, die dann für den Dezember relevant sei.

Seltener begegnete mir die gegenläufige Zuordnung, wie ich sie aus künstlerischem Empfinden bevorzuge. Per Programm sind beide Richtungen wählbar.

Die echten Mond-Monate des hier neu vorgeschlagenen Kalenders haben keine neuen Namen, auch werden nicht einfach die geläufigen Monatsnamen umgedeutet. Sondern mit den Tierkreissymbolen als international verständlicher Bilderfolge einer kalendarischen Zwölfheit werden Nächte wie Monate parallel gesetzt. Dabei wird die dem ersten Mondmonat des Jahres oder dem Januar zugeordnete Nacht mit dem Steinbock und die dem Dezember oder dem letzten Echtmonat des Jahres zugeordnete Nacht mit dem Schützen bezeichnet, weil damit die je größtmögliche Entsprechung gegeben ist.

Niemand sollte sich dadurch irritiert fühlen, jeder kann ganz frei davon in den zwölf Nächten sich anderen Zwölfheiten in unabhängiger Reihenfolge zuwenden.

Datierung

Zählt man so vom Dreikönigstag an die Tage des ersten echten Mondmonats des Jahres, so entspricht der 1. „Steinbock“ also dem 6. Januar. Der letzte oder 30. „Steinbock“ ist immer der 4. Februar.
Der 1. „Wassermann“ ist stets gleich dem 5. Februar, der letzte oder 29. „Wassermann“ zwar meistens der 5. März, in Schaltjahren jedoch der 4. März.

Wie z.B. Juden und Moslems, wie alle Mondkalendarier es gewohnt sind, werden gleichmäßig abwechselnd Monate zu 30 und solche zu 29 Tagen gezählt. (Wer will, könnte auch durchaus nach realer Beobachtung die Monate zählen, wie der Koran es eigentlich vorschreibt. Mit den Schwierigkeiten, die oben beschrieben sind: der „dritte Tag vor Vollmond“ ist nicht jedes Mal der „elfte Tag nach Neumond“ – man bräuchte dann eine genaue Schablone des Mondbildes vom 6.Januar um den Monatsanfang genau definieren zu können.)

Am Ende entspricht dem letzten „Schützen“, sei es als 29. oder im Schaltjahr als 30., immer der 25. Dezember.

Das Programm nennt das Tagesdatum nach dieser Datierung zusätzlich, verwendet sie jedoch nicht für alle Einträge. Diese werden nach dem gewählten Datums-Stil notiert, da ist bisher neben dem internationalen nur der jüdische, julianische und muslimische wählbar. Zwar werden z.B. die Listen der Feiertage bei Wahl dieses neuen Stils als Monats-Stil entsprechend gruppiert und monatsweise mit den Tierkreiszeichen gekennzeichnet.

Synodisch, Siderisch oder Faktisch

Bisher haben wir von Monaten gesprochen, wie sie der Mond mit seinen Phasen schafft: vom Neulicht zu Neumond nach Anschauung der Juden und Muslime, früher teils auch von Vollmond zu Vollmond oder Halbmond zu Halbmond gerechnet. Solche Monate nennt man synodische, sie sind bestimmt durch die Wiederkehr der gleichen Phase.

  • Davon zu unterscheiden sind solche Monate, die bestimmt sind von der Wiederkehr des Mondes an den gleichen Himmelsort auf der Ekliptik. Hier kann man drei Systeme unterscheiden:
    • Tropisch: die Ekliptik wird in 12 gleich große Tierkreiszeichen zu je 30° eingeteilt, beginnend immer mit dem nördlichen Frühlingspunkt der Sonne, unabhängig davon, dass dieser Punkt auf dem Zifferblatt des Fixsternhimmels langsam weiter wandert. Diese Zeichen als Orte sind Himmelssektoren in einer vom Sonnenlauf (den Jahreszeiten) bestimmten Richtung. Diese Richtungen sind eine Realität, doch hat diese letztlich nur temporär mit den dort befindlichen Sternen und Sternbildern zu tun. Zwar haben die Zeichen von ihnen den Namen.
    • Siderisch: fast dieselbe Einteilung, jedoch sind jetzt 12 gleiche Teile des Ekliptikalen Fixsterngürtels gemeint, unabhängig davon, ob die jahreszeitliche Richtung sich langsam verschiebt. Auch eine Realität, aber eine andere. Und die Teile werden benannt nach den Tierkreisbildern, die wirklich in ihnen stehen.
    • Faktisch: wie vor, jedoch so, dass statt einer Gleichteilung die sichtbare Größe der unterschiedlichen Bilder verwendet wird.

Der oben erwähnte Wirklichkeitssinn Steiners lässt ähnlich sich darin erkennen, dass Steiner in seinem Vorschlag den sogenannten siderisch-faktischen Tierkreis nutzt.

Der Mondrhythmus selbst gibt so ein weiteres Maß, es war die Grundlage der frühestbekannten siderischen Mondkalender.
Im tropischen oder siderisch-faktischen Modus des Programms verteilen sich die Tage auf Linien gleicher Mondhäuser:

  • Ein wunderbares Gewebe von Richtungen wird sichtbar, am schönsten im ersten Bild: Mondhausstreifen, dazu schräg verlaufend Linien gleicher Mondphasen, an den Phasenzeichen erkennbar, und – wieder in anderem Winkel – solche gleicher Wochentage. Hier sind zwecks Visualisierung die den Muslimen, Juden und Christen je wichtigen Wochentage je grün, weiß und gelb gerahmt.
  • Der Zusammenhang von synodischen und siderischen Monaten wird anschaubar, jeder synodische Monat fängt ein Mondhaus weiter an, die mondtreuen Monatssortierungen des jüdischen, islamischen und auch des neuen Stils zeigen das, ein Beispiel gibt das dritte Bild. Denn 13 siderische Monate entsprechen ziemlich genau 12 synodischen. (So beginnt umgekehrt jeder siderische Monat um ein Phasendreizehntel verschoben.)
    • Nur knapp ein Tag Unterschied besteht zwischen 12 synodischen und 13 siderischen Monaten – 354,37 Tage dauern erstere und 355,17 letztere.
  • Auch gibt es den Rhythmus von Erdferne und Erdnähe, den sogenannten anomalistischen Monat. Von ihm hängt die Größe der Mondscheibe ab, ob eine Sonnenfinsternis ringförmig oder total erscheint. Dieser anomalistische Monat wird zusätzlich erfahrbar: Die größere Dichte der Tagfelder zeigt des Mondes langsameren Gang und damit seine Erdferne an – das Perigäum, die geringere Dichte seine Erdnähe – das Apogäum.
    In den Bilder von 2015 zeigt sich ersteres siderisch im Löwen, es verschiebt sich auch nur sehr langsam Richtung Jungfrau, da die anomalistische Periode nur geringfügig länger als die siderische ist. Tropisch lässt sich die größte Dichte von Jungfrau bis Waage etwa ausmachen. Die geringste Dichte zeigt sich gegenüber zwischen Wassermann und Fischen – da ist bei Vollmond jeweils ein sogenannter Supermond zu erwarten.
    Anfang 2017 findet ersteres siderisch etwa vor dem Kopf des Skorpions statt, liegt Ende des Jahres inmitten des Schützen, tropisch verschiebt sich die größte Dichte von etwa der Grenze Skorpion/Schütze bis in den Steinbock.
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Mit Blick auf die siderischen Mondumläufe lässt sich auch eine Gliederung des Jahres in 13 Mondmonate zu je 27/27/28 (27,33) Tagen einerseits und 13 heilige Nächte andererseits als Doppeldreizehn mit kosmischen Realitäten sinnvoll begründen. Zwar gibt es keine Namen für diese Monate, niemand nennt sie, keiner kennt sie. Zwar bietet der geringere Unterschied von 10 Tagen zum Sonnenjahr zunächst nur 11 Nächte, muss man also per Inklusivzählung den ersten und letzten Tag der 13 Monate zugleich als zu den 13 Nächten gehörend betrachten.

Für den Himmelsbeobachter höchst interessant ist dieser Rhythmus allemal, vor allem im Zusammenhang mit dem synodischen. Nimmt man den Tierkreis als Zifferblatt und den Mond als veränderlichen Zeiger, so hat man damit einen genauen Kalender: eine bestimmte Mondphase vor einem bestimmten Sternenort kennzeichnet eindeutig die Zeit im Jahr.
Von der Sonne weiß man das durch die Astrologie: sie wandert in einem Jahr durch den Tierkreis. Weil jeder Neumond eben mit der Sonne zugleich an einem Ort der Ekliptik steht, kann man direkt wissen, dass Monat für Monat die Neumonde mit der Sonne zusammen je ein „Haus“ weiter stehen, zwar sieht man es nicht. Die Vollmonde sind im Gegenteil gut sichtbar, sie befinden sich gegenüber, das ist ganz einfach: steht der Vollmond etwa vor dem erstem Drittel des Sternbildes der Fische, befindet sich die Sonne genau gegenüber in der Jungfrau, also ist derzeit Herbst-Tagundnachtgleiche. Für die Halbmonde ist es nicht anders, sie finden sich ein Viertel weiter auf dem Zifferblatt der Ekliptik: im gleichen Beispiel der zunehmende Halbmond vor dem Schützen, der abnehmende im Krebs. Usw..

„Treffen wir uns, wenn der Vollmond am gegenüberliegenden Tierkreisbild steht“ oder „…beim Vollmond, nachdem vor dem gleichen Tierkreisbild der Neumond gestanden hat“ bei Vollmond gesagt, sind identische Zeitangaben für ein halbes (Mond-)Jahr. Zeitangaben, für die man keine Zahlen kennen muss! Uns, denen die Himmelsvorgänge unvertraut sind, klingt das kompliziert – aber solche Zeitangaben sind sogar wortlos möglich: z.B. mit einem simplen Fingerzeig auf einen bestimmten Himmelsort einerseits und der Abbildung einer bestimmten Mondphase andererseits. Aus dem Zusammenhang der beiden sichtbaren Phänomene, der Mondphase und dem Mondort auf der Ekliptik entstehen sie. So wird man für frühe Zeiten sinnvoll gar nicht zwischen siderischen und synodischen Mondkalendern unterscheiden.

Weltkalender

Alle bisherigen Kalender erscheinen historisch gewachsen. Dabei gab es immer wieder Reformen, meist für eine größere Genauigkeit. Bei sonst gleichbleibendem System wechselte auch manchmal die Zählung der Jahre, die sogenannte „Epoche“.
Schon seit Jahrtausenden gibt es andererseits eine Konstante, welche die meisten Kulturen gemeinsam haben: die durchgehende Wochentagszählung.

Historisch gab es einige Versuche einer Erneuerung hin zu einem einheitlichen Weltkalender: Der Maréchal von 1778, der Positivistenkalender von 1849 und der sehr ähnliche Internationale ewige von 1923 sowie der Weltkalender der 30er bis 50er Jahre des 20. Jahrhunderts.

Bei diesen jüngeren Reformversuchen ging es zumeist um Vereinfachung analog zur mechanischen Uhr: Daten und Wochentage sollten immer gleich zueinander stehen, Monate und Quartale möglichst gleiche Länge bekommen als Erleichterung der Statistik. Alle Ungleichheiten sollten verschwinden, die Beweglichkeit des Osterfestes ein Ende bekommen.
Siehe auch bei computus.de, kalenderlexikon.de und das Interview_Die Welt-Reinhold Bien.(Eine ganze Reihe neuer Vorschläge gibt es im englischen Kalenderwiki zu erforschen…)

Keiner der neuzeitlichen Vorschläge überzeugte, kein zeitweilig umgesetzter Versuch wie z.B. der französische Revolutionskalender, oder auch der sowjetische Revolutionskalender hat sich durchgesetzt. Zum guten Teil sind einfach die Gewohnheiten der Völker stärker? Beim Weltkalender, der laut kalenderlexikon.de immerhin 1954 vom Vatikan gebilligt einmal vom US-Kongress eingeführt wurde, erhält auch die traditionswidrige Unterbrechung der Wochenreihung nicht grade Akzeptanz.

Die Rechentechnik ist inzwischen so präsent, dass es für die Statistik längst unerheblich ist, ob Quartale genau gleich lang sind oder nicht. Terminvereinbarung über Jahre hin sind mit den selbstsynchronisierenden Onlinekalendern trotz Verschiebungen zwischen Wochentagen und Daten keine Schwierigkeit mehr. Und ob ein unbewegliches Osterfest von Vorteil sei, ist durchaus die Frage.

Der hier vorgestellte neue Kalender will nicht durch Mechanisierung und mathematische Vereinfachung, sondern durch Synthese für alle akzeptabel gelten können.

Ist eine generelle Reform des Kalenders heute ein Thema? Was sind heutige Anforderungen?

  • Erdbewusst – Aufbau aus kosmischen Gegebenheiten, aus dem Zusammenhang von Mensch, Erde und Kosmos. Betrachtete den Kalender ein Außerirdischer, der alle kosmischen Verhältnisse der Erde überschaut, so sollte er allein an seiner Form erkennen können, dass die Menschheit sich damit der ganzen Erde bewusst ist, ihre Polaritäten überwand, Gegensätze harmonisch verbindet.
  • Integrativ – der Kalender jeder besonderen Kultur soll integriert darstellbar sein, möglichst jeder auf der Erde vorhandene Zeitsinn soll geehrt sein.
    Das bedeutet anders:
    • Kulturhegemonie – Zuallererst sehe ich die Notwendigkeit, auf jede solche zu verzichten.
      • Nördlichen Hemisphäre – sucht man Kalendervorschläge mit jahreszeitlicher Färbung im Web, findet man keine einzige für die Südhalbkugel passende. Ein Reformvorschlag, der eine gesonderte lokale Jahreszeitlichkeit für alle verbindlich machen will, passt nicht zur kosmopolitischen Geste Michaels.
      • Monate – die westliche Welt hat den gregorianischen Kalender zum internationalen gemacht, manches davon ist einfach ein Erbe Roms. Seine abstrahierten Monate sind für Juden wie Muslime grundsätzlich unakzeptabel. Will man deren Zeitsinn nicht ausschließen, muss der reale Mondlauf ernst genommen werden.
  • Evolutionär – vergangene Reformversuche sind auch einfach am Aufwand ihrer Umsetzung gescheitert. Neue Französischen Revolutionsuhren für die ganze Republik wären einfach zu teuer geworden. Eine Form soll gefunden werden für eine „allmähliche Umnutzung“.
  • Demokratisch – Neues soll als paralleles Angebot erscheinen, nicht als einzige Option. So mögen am Ende die Nutzer entscheiden.
  • Personalisierbar – jeder kann sich auch den Kalender seiner eigenen Kultur im Layout des neuen abbilden. Eigene Gedenktage können eingerichtet werden so, dass sie nach dem Rhythmus der eigenen Kultur wiederkehren.
Ostern als Neujahr

Wie steht es in dieser Hinsicht mit dem von Rudolf Steiner vorgeschlagenen Kalender?

Ostern als Kalenderbeginn gab es schon früher, bis ins Mittelalter waren sehr verschiedene Jahresanfänge in Gebrauch, da gab es u.a. auch schon den sogenannten Oster- oder Paschalstil. Erst im ausgehenden Mittelalter setzte sich der 1. Januar zunehmend durch. Papst Innozenz XII. (1615–1700) erkannte im Jahre 1691 den 1. Januar als Jahresanfang an, siehe Wikipedia. Seitdem ist er verbindlich.

Das Osterdatum ist sehr veränderlich, es kann an allen Tagen vom 22. März bis zum 25. April liegen, das ist immerhin ein Zeitraum von 5 Wochen. Wird Ostern als Neujahr gesetzt, hat man so die ganze Beweglichkeit des Osterfestes im Gesamtkalender. Eine Beweglichkeit, die wir oben bereits genauer betrachtet haben (Lunisolar).

Datiert man die Tage dieses Kalenders, hat man keine Monate zur Verfügung, müssen konsequent die Wochen so gezählt werden wie sonst Monate. Jeder Tag gehört zu einer bestimmten Woche. Die Datumsangabe wird kürzer, nach dem Osterkalender genügt “51. Dienstag 1983”. Im geschäftlichen Bereich ist eine Datierung nach Kalenderwochen gang und gäbe, leicht verständlich sind die verschieden definierten Systeme nicht!
Ein Wochenkalender ab Ostern geht bei der weltweit geläufigsten Zählung ab Sonntag rein auf, ist damit schöner und prinzipiell leicht verständlich. Gäbe es in den heute üblichen Kalendern die parallele Angabe als Option, wäre es kein Problem, mit nach Ostern gezählten Wochen zu arbeiten: „1983, OW 51“ könnte es heißen statt „2017, KW 11“. Warum sollten Kreditverträge der GLS-Bank nicht bald so datiert werden?

Führt man einen ewigen Kalender in dieser Art, so fallen alle Daten immer auf die gleichen Wochentage, ein “Sonntagskind” hat immer an einem Sonntag Geburtstag, in jedem Jahr, sein Leben lang. Wochen jenseits der 50-sten wären allerdings quasi Schaltwochen – wie umgehen mit Geburtstagen aus dieser Zeit?

Die mittelalterlichen Nutzer solchen Stils haben als Datierung für Tag und Monat aber in jedem Fall die julianische oder später gregorianische genommen. Man hat sich wohl wenig an einem dabei auftretenden Problem gestört:

Nutzt man das Osterjahr und gleichzeitig die geläufigen Monatsdaten, gibt es in einigen Jahren Tage doppelt – in der Zeit zwischen dem 22.März und dem 25.April sowohl am Anfang wie am Ende des Jahres. Und zwar in den Jahren mit 55 Wochen genau 20 Tage bzw. in denen mit 54 Wochen 13 Tage (oder 19 bzw. 12, wenn sie einen 29.Februar enthalten) – bei der Benennung des Monatsdatums eines dieser Tage wüsste man nicht, ob der des Jahresanfangs oder des -endes gemeint ist. Wer in diesen Tagen Geburtstag hat, müsste in manchem Kurz-Jahr von 50 oder 51 Wochen auf seine Feier verzichten, dürfte in 54- oder 55-wöchigen Langjahren doppelt einladen.

Der Kalenderimpuls Rudolf Steiners ist in dieser Hinsicht unvollständig umgesetzt und in seiner erhaltenen Form für weltliche Kalenderanforderungen nicht nutzbar.

Die Jahresuhr von Karl-Heinz Flau
Die Jahresuhr von Karl-Heinz Flau

Der zugehörig empfundene Seelenkalender wird durchaus gelebt. Er beginnt zwar mit der Osterstimmung, bezieht sich teils auf das Osterfest, wird mit 52 Wochensprüchen jedoch grundsätzlich jahreszeitlich verstanden, also in direktem Bezug zum Sonnenjahr, genauer: zu den jahreszeitlichen Stimmungen in Mitteleuropa.
Trotz Steiners ausdrücklicher Betonung des Werts der Beweglichkeit des Osterfestes regiert diese den Seelenkalender nur zu einem kleinen Teil – spätestens nach Pfingsten sieht jeder Nutzer zu, bis Johanni in die ausdrücklich darauf bezogene Datierung zu gelangen und nach Weihnachten muss man ihn rechtzeitig wieder gen Ostern umorientieren. So wird er größtenteils vom jahreszeitentreuen Sonnenkalender einerseits und andererseits von der Woche als echter Einheit bestimmt.

Der Grund, diesen Kalenderstil zu programmieren, liegt in seiner Ästhetik, den interessanten Aspekten der Wochentagsgleichheit, die sich in der Kreisdarstellung so schön offenbart, der schönen Beweglichkeit seiner unterschiedlichen Dauer.

Ostern & Weihnachten

Wie lassen sich der Kalenderentwurf Rudolf Steiners von 1912 und der hier beschriebene vereinen?
Auf dem Rechner lassen sich mit diesem Programm immer die Daten aller Kalenderstile parallel anzeigen – das ist nicht viel und nichts Neues, einige anthroposophische Verlage bieten Jahreskalender von Neujahr bis zum darauffolgenden Ostern an, oder fügen die auf Ostern bezogenen Daten zusätzlich an.

Mindestens sind alle denkbaren Kombinationen möglich, Jahr-, Monats-, Datums- und Monatsfarbstil sind einzeln wählbar.

Osterjahre im Weihnachtsstil?

Hier sind vier verschiedene Osterjahre in zwei Reihen zu sehen, oben im Zirkularmodus, mit verschiedenen Monats- und Monatsfarbstilen:

  • 1982 mit 51 Wochen (2015/16), ohne Monatsunterscheidung, der Stern innen markiert die vier jahreszeitlichen Hauptfeste und halbhell die zugehörigen Vor- und Nachbereitungszeiten: Ostern bis Himmelfahrt und Pfingsten, Johanni, Michaeli sowie der Advent vor dem dreifachen Weihnachtsfest an zwei Tagen, am Ende die Fastenzeit.
  • 1983 mit 55 Wochen (2016/17) und innen die Blume der 12 echten Mondmonate und der 12 Nächte – die Tage eines jeden echten Mondmonats sind je gleich gefärbt. Am 25.Dez verlässt man das Außenrund und geht in umgekehrter Richtung durch den Innenkreis der 12 Nächte bis man mit dem 6.Jan wieder ins Werkjahr eintritt. (Ein gleichsinniger Gang durch die heiligen Nächte ist im Programm auch wählbar.)
  • 1984 mit 50 Wochen (2017/18) und innen dem Stern der üblichen international gebräuchlichen gregorianischen Monate. Die Tagfelder in den Farben der Doppelzwölf – da hier die 12 Nächte zählen, bleiben 11 Tage schwarz und weil diese als Feiertage entsprechend editiert wurden, erscheinen sie mit blauem Rahmen.
  • 1988 mit 54 Wochen (2021/22), innen mit den jüdischen Monaten in Stern und Farben.

Die beiden mittleren Bilder zeigen Möglichkeiten der Kombination des Osterkalenders mit dem hier vorgestellten weihnachtlichen Doppelzwölfansatz.
Die unteren Bilder zeigen dieselben Jahre im synodischen Streifenmodus, allesamt mit dem Versatz der 12 Nächte im neuen Monatsstil gegliedert. (Anders als darüber sind nicht auf dem Bildschirm laufenden Kalender abgebildet, sondern mögliche Druckvorlagen mit Listen der Feiertage.)

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Paschal-year-1988=54weeks_Jewish-Month

Jedes Jahr gleich welchen Stils beinhaltet ja immer Tage zweier Jahre eines anderen Stils – so enthält z.B. das internationale Jahr 2017 jüdisch datiert Tage aus 5777 und 5778, muslimisch datiert solche aus den Jahren 1438 und 1439.

Im Streifenmodus ist dies eine interessante Eigenart des Weihnachts- oder Doppelzwölfstils: Stellt man Jahre andere Stile – jüdische, muslimische oder eben auch Osterjahre – in ihm als Monatsstil dar, werden immer auch die zwei je zugrundeliegenden internationalen Jahre optisch sichtbar!

Weihnachtsjahre im Osterstil?

Umgekehrt ist die Kombination wenig ergiebig: setzt man das Weihnachtsjahr als rahmengebende Ganzheit, wie lässt sich der Osterstil dazu kombinieren?

  • Im Kreismodus des Weihnachtsjahres gehört die „Monatsblume“ in der Mitte als Gang durch die 12 Nächte und Pendant zu den Monaten außen wesentlich dazu, kann man eigentlich nicht auf sie verzichten, zwar lässt sich der Osterstern in die Mitte setzen, im Ergebnis fehlt jedoch Entscheidendes.
  • Im (Monats-)Streifenmodus gibt es gar keine Möglichkeit für den Osterstil, dieser beruht zwar auf einer diffizilen Beachtung auch der Mondrhythmik, hat seinem Wesen nach im Ergebnis jedoch nichts mehr mit Monaten zu tun.

Peter Zimmer, Ostern 2017