Ostern 2019 – ein Jahr der Osterparadoxie
Der Charakter der Osterregel:
Die Regel „Sonntag nach Vollmond nach Frühlingsbeginn“ (so die Kurzformel) enthält eine doppelte Geste: Mit der Wahl des Sonntags wird die Freiheit des Menschen betont, Natur und Kosmos kennen keine Wochentage. Mit Vollmond und Frühlingsbeginn werden berücksichtigt die kosmischen Rhythmen beider großer Kalenderbildner, des Mondes wie der Sonne.
Die Bedeutung insbesondere von Frühlings- und Herbstmond für die Natur belegen zahlreiche mondsensible Tiere mit ihrer lunaren Sexualperiodizität – zwar gibt es erstens immer Spiel, also zwei Termine für z.B. die Paarung des Samoa-Palolo (ein Borstenwurm), zwar werden zweitens Mondfinsternisse ausgelassen (Teredo pedicellata), zwar spielen drittens natürlich die Hemisphären ihre Rolle. Die Natur lehrt damit beides: große Bedeutung und Großzügigkeit im Umgang damit.
Folgt man der kosmischen Bedeutung, dürfte es fast jedes Jahr zweimal Ostern geben, mal ein kleines und ein großes, mal umgekehrt, je nach Frühe oder Späte des Vollmondes – das passt jedoch nicht zum menschlichen Bedürfnis nach einem einheitlichen Osterfest. Welcher Termin gewählt wird, ist kosmisch nicht definiert, das ist in die Freiheit des Menschen gestellt und anders würde es nicht zu Ostern passen.
Bestimmt hat ein von vielen Menschen gemeinsam begangenes Fest wiederum Wirkung auf Natur und Kosmos! – An jedem Termin. Die drei unterschiedlichen Osterfeste der verschiedenen Kirchen kann man als Aufforderung empfinden, solche Wirkung zu prüfen. Ein zusätzlicher weiterer Ostertermin nach vermeintlich besser verstandener Regel hilft nur eigenem Separatismus − Einsatz für eine einige und einzige Datierung für die Welt könnte Kräfte verstärken.
Astronomische Zeiten 2019:
Der Frühlingspunkt fällt 2019 für Mitteleuropa auf Mittwoch, den 20. März um 22:58 Uhr MEZ.
(Die MEZ ist gemittelt richtig auf 15° östlicher Länge, also in Görlitz.
Hamburg z.B. liegt auf etwa 10°, das bedeutet 5° Differenz zur Basis und jedes Grad Abweichung entspricht 4 Minuten – hier ist also im Schnitt je 5*4=20 Minuten später Mittag, als die MEZ vermuten lässt, um 22:58 ist es nach Ortszeit also erst 22:38 Uhr. Nach Jahreszeit kommt noch die veränderliche „Zeitgleichung“ dazu, sie kann mit ihrem herbstlichen Extrem (4. November) von +17 Minuten die -20 hamburgischen fast ausgleichen. Oder aber sich im frühen Frühjahr (12. Februar) mit dem gegenteiligen Extrem von -15 Minuten auf -35 Minuten Fehler ausdehnen. Zum Frühlingspunkt liegt sie bei -7 Minuten, es ist also nach lokaler Sonnenzeit dann 22:31 Uhr.)
In Jerusalem ist es dann 23:58 nach dortiger Zonenzeit, deren Basis bei 30° östlicher Länge liegt („Israel Standard Time“ oder auch Osteuropäische Zeit).
Golgatha wird vermutet ungefähr dort, wo die Grabeskirche heute steht, das liegt bei 35,23°, also gut 5° weiter östlich – dort ist nach mittlerer Ortszeit bereits gut 5*4=21 Minuten früher Mitternacht gewesen, ist es dann also bereits später und zwar Donnerstag, der 21. März um 0:19 Uhr. Abzüglich der 7 Minuten aus der Zeitgleichung findet die Frühlingstagundnachtgleiche um 0:12 Uhr lokaler Sonnenzeit statt. Bedenkt man, dass die Juden den Tag mit Sonnenuntergang beginnen, ist es lokal und kulturell dann also bereits reichlich Donnerstag.
Der nächste Vollmond findet für Mitteleuropa statt am Donnerstag, dem 21. März 2019 um 02:43 Uhr MEZ.
Für Hamburger Sonnenzeit gilt nach den gleichen Korrekturen 02:16 Uhr.
Nach Jerusalemer Sonnenzeit fällt der Vollmond dort auf 04:03 Uhr.
In Brasilien ist die Sonne 3 Stunden später erst wach, dort ist zum Zeitpunkt des Vollmondes noch Mittwoch, der 20. März kurz vor Mitternacht. In den westlicheren USA ist dann erst Mittwochabend, auf Samoa sogar erst früher Mittwochnachmittag.
Mancherorts also fällt dieser Vollmond schon auf Mittwoch, den 20. März, andernorts die Frühlingstagundnachtgleiche erst auf Donnerstag, den 21. März. Mal liegen die beiden Ereignisse innerhalb eines Tages, mal an zweien – sollte man verschiedene Ostern feiern?
Frühlingsvollmond – was ist das Besondere?
Hoch steht der Wintervollmond, tief der sommerliche – gerade entgegengesetzt verhält er sich zur Sonne. Ein Vollmond zur Tagundnachtgleiche beschriebe wie die Sonne einen Bogen auf mittlerer Höhe. Der Vollmond nach ihr gewährt zuerst in Deutlichkeit dem Sonnenbogen wieder den Vorrang, besiegelt sichtbar den Sonnensieg, das gibt ihm seine Bedeutung für den Menschen (auf der Nordhemisphäre).
(Am Äquator, in dessen Nähe die Palolowürmer leben, spielt das Höher und Tiefer kaum eine Rolle, dafür das Rechts und Links des Meridians: Zieht die Sonne während des nördlichen Winters nach Süd geneigt ihre Bahn, so leuchtet der Vollmond dieser Jahreshälfte stets von Nord, im nördlichen Sommer ist es umgekehrt. Zur Tagundnachtgleiche begegnen und überkreuzen sich beider Leuchten Bahnen im Zenit.)
So gilt es im Prinzip, zwar geht der Mond mal drunter mal drüber, bis etwa 5° oder 10 Monddurchmesser: ein drakonitischer Monat, mit 27,21 Tagen der kürzeste Mondrhythmus.
Am 21. März 2019 steht der Vollmond knapp 4° oberhalb der Ekliptik und bildet damit noch deutlich den höheren und größeren Bogen! Erst der nächte Vollmond setzt die Sonne bildhaft in ihr Sommerrecht.
Grundsätzlich kann ein hochstehender Vollmond noch eine Woche nach der Tagundnachtgleiche einen höheren Bogen als die Sonne beschreiben, im umgekehrten Extrem übergibt ein tiefststehender Vollmond bereits eine Woche früher mit seinem dann kleineren Bogen der Sonne die Vormacht.
(Wer also wissen möchte, wann nach dem wahren Sinn dieser Konstellation der kosmische Frühlingsvollmond je scheint, muss schon sehr genau hinschauen!)
Historische Entwicklung:
Die christliche Urgemeinde feierte die Erinnerung an das Ostergeschehen gemeinsam mit dem jüdischen Passahfest. Dann löste sich das christliche Ostern immer mehr von der jüdischen Passahberechnung, die Christen suchten ihren eigenen Weg, Mondkalender und Sonnenkalender in Einklang zu bringen. Schon sehr früh war man sich einig, dass der Ostertag ein Sonntag sein müsse, nach Passah.
„Am vierzehnten Tag dieses ersten Monats gegen Abend ist des Herrn Passah und am fünfzehnten desselben Monats das Fest der ungesäuerten Brote„. Das wurde an der Natur beobachtet, bezeugt und von Jerusalem aus verkündet. So dauerte es auch, bis die Nachricht in fernere Gegenden gelangte – unser Brauch von zweiten Feiertagen stammt noch aus der Unsicherheit bezüglich der Datierung, lieber feierte man an zwei Tagen, als dass man den gemeinsamen Termin nicht traf!
Nach der Zerstörung Jerusalems, als die Einheit des Volkes Israel aufgehoben war und die Juden in der gesamten damals bekannten Welt neue Wohnsitze zu suchen begannen, konnte das einfache System der Zeugenaussagen nicht mehr beibehalten werden. Der jüdische Kalender geriet zunehmend in Unordnung und allmählich begannen die Juden, ihren Kalender zu berechnen. Und sie taten das verschieden, unterschiedliche Osterfeste waren die Folge. Denn schwierig ist die Berechnung des „Neulichts“ für den Beginn des jüdischen Monats – den man braucht, um auch die Vollmond-Monatsmitte zu wissen. Grundsätzlich ist es nicht einfach, den genauen Vollmond zu bestimmen, außer bei Mondfinsternis ist er ja nie ganz rund und die Veränderung ist nah dem Zeitpunkt am geringsten.
Darum wurden im Jahr 325 auf dem Konzil von Nicäa folgende Regeln beschlossen: Oberstes Ziel war es, die Notwendigkeit der Einigkeit in der Osterfrage zu wahren und jede Sonderregelung auszuschließen. Es wurde daher angeordnet, dass der 14. Nisan (jüdischer Frühlingsmonat) nie vor das Äquinoktium fallen dürfe und dass Ostern immer auf den Sonntag nach dem 14. Nisan zu fallen habe. Dabei wurde vereinfacht: Als generelles Datum für den Frühlingsbeginn wurde der 21. März festgelegt. Als Vollmond-Daten werden nicht die der astronomischen Erscheinungen verwendet, vereinfachend kommen Daten des Meton-Zyklus zur Anwendung.
Dann kam 1582 die Reform von Papst Gregor, der aber nicht alle folgten. Seit 1924 kann es drei Ostertermine im Jahr geben, einmal nach dem alten Stil, einmal nach der Reform von 1582 und letztendlich noch ein drittes Mal nach den neuen Regeln einiger orthodoxen Kirchen vom Jahre 1923. (Teils zitiert nach Nikolaus A. Bär)
Quintessenz:
Das jüdische Passahfest folgt mit dem lunisolaren Kalender der Juden der kosmisch-natürlichen Bedeutsamkeit.
Das Osterfest als ein Wochentags-gebundenes Fest nach dem Frühlingsvollmond achtet sie und macht sich gleichzeitig frei von aller Natur. Die Natur kennt keine Wochentage, diese sind freies Menschenwerk. Zur Großzügigkeit der Natur selbst schon passt keine enge mathematische Auffassung des Frühlingsvollmondes, erst recht widerspricht sie der Freiheit des Menschen.
Für die von Menschen gesetzte Regel ist „Sonntag nach Vollmond nach Frühlingsbeginn“ eine Kurzformel, welche schön die Geste gegenüber dem Kosmos bezeichnet. Die Regel enthält mehr und ist niemals astronomisch eng gemeint. Es gibt keinen Grund, sie anders als ursprünglich gemeint auszulegen.
Die Großzügigkeit könnte – als kosmopolitische Geste – heute neu so formuliert werden: Der Tag des Frühlingsbeginnes sei vollendet, für jede Tagauffassung jeder Kultur und an jedem Ort der Erde. Dann sei der Tag des Folgevollmondes gewesen, im gleichen Sinn an jedem Ort der Erde. Der darauffolgende Sonntag sei Ostern.
2019 beginnt Passah am Abend von Freitag, dem 19. und liegt auf Samstag, dem 20. April.
Da am Sonntag danach Ostern sein sollte, fällt es folgerichtig auf Sonntag, den 21. April.